1891 brachte ein Bielefelder Apotheker ein Backpulver auf den Markt. Die Innovation dabei war die Packungsgröße: Anders als seine Konkurrenten bot er praktische Kleinverpackungen an, die genau für 500 Gramm Mehl portioniert waren – ein Segen für die Hausfrau. Zum raschen Erfolg der Backpulvertütchen trug außerdem bei, dass ihre Rückseite mit schmackhaften und leicht umsetzbaren Rezepten bedruckt war. So konnte sich der clevere Apotheker gegenüber seiner Kundschaft als Experte für Backwaren präsentieren. Er schaffte es außerdem, Vertrauen in seine Marke aufzubauen: denn wurden die Rezepte befolgt, gelang der Kuchen so gut wie immer. Haben Sie erraten, um wen es sich bei dem Bielefelder Apotheker handelt? Richtig, Dr. Oetker! Oetker hat sich nicht umsonst von einer kleinen Apotheke zu einem der größten deutschen Familienkonzerne mit elf Milliarden Euro Umsatz entwickelt. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass das Unternehmen einer der Vorreiter im damals noch unbekannten Bereich Markenjournalismus war. Dabei geht es um das Anbieten von Inhalten, die den Nerv der Kunden treffen, um sich so als Experte für ein bestimmtes Thema zu positionieren und seine Zielgruppe langfristig an sich zu binden. Nun sind Backpulvertütchen freilich nicht die New York Times und Rezepte haben wenig mit Journalismus zu tun. Markenjournalismus umfasst sehr viel mehr, von Blogs über eigene Printmagazine bis hin zu exklusiven TV-Events. Dennoch hat Oetker bereits zur damaligen Zeit einige wesentliche Prinzipien der nun folgenden Tipps für erfolgreichen Brand-Journalismus umgesetzt:
- Marathonlauf statt Sprint: Sie werden die Früchte Ihrer Arbeit nicht von heute auf morgen ernten. Mit entsprechender Ausdauer wird Markenjournalismus jedoch nachhaltig zum Erfolg Ihres Unternehmens beitragen. Guter und regelmäßig veröffentlichter Content sichert Ihnen die Aufmerksamkeit Ihrer Zielgruppen und mit der Zeit werden Sie als einer der Meinungsführer auf Ihrem jeweiligen Spezialgebiet anerkannt.
- Gute Autoren, gute Inhalte: Für die Erstellung der Inhalte sollten von Anfang an erfahrene Autoren, idealerweise mit journalistischem Hintergrund, verantwortlich sein. Nur guter Content transportiert Ihre Botschaft glaubwürdig! Journalisten wissen, was bei den Lesern ankommt, wie man eine Geschichte fesselnd erzählt und ansprechend präsentiert.
- Zuhören ist Gold: Finden Sie durch aufmerksames Zuhören und den ständigen Dialog heraus, was Ihre Zielgruppe umtreibt – was interessiert die Leute im Moment, was wollen sie, wo zwickt der Schuh? So können Sie Inhalte produzieren, die aufgehen wie die Hefe im Backteig.
- Verbreiten der Inhalte: Egal was Sie an Inhalten erstellen: Sie sollten über möglichst viele Kanäle gestreut werden. Posten Sie die Links zu Ihren Blogbeiträgen auf Twitter, erstellen Sie Infografiken für Pinterest, starten Sie Diskussions-Threads auf Facebook, LinkedIn oder Xing. Nur so werden Sie aktiver Teil im Ringen um die Meinungsvorherrschaft, das Tag für Tag in den sozialen Medien stattfindet.
- Sich auf unbekanntes Terrain wagen: Mit der bloßen Veröffentlichung beispielsweise eines Blogbeitrages ist es nicht getan. Viel interessanter sind die Diskussionen, die sich häufig daraus ergeben. Da sich die Entwicklung eines echten Dialogs kaum planen lässt, betritt man damit jedes Mal aufs Neue ein Stück unbekanntes Terrain – lassen Sie sich darauf ein und versuchen Sie nicht, die Diskussion zu kontrollieren. Es müssen beispielsweise auch kritische Stimmen geduldet werden, sonst macht man sich schnell unglaubwürdig. Darüber hinaus sollten Sie aber vor allem eines tun: auf das direkte Feedback Ihrer Zielgruppe hören.
- Kante zeigen: Ihr Blogbeitrag zu einem bestimmten Thema war gut geschrieben, fachlich einwandfrei und tat niemandem weh – leider war er auch so langweilig, dass die wenigen Leser damit zu kämpfen hatten, ihre Augen offen zu halten. Natürlich geht es bei Markenjournalismus nicht darum, möglichst vielen Leuten mit möglichst kontroversen Themen auf die Füße zu treten. Setzen Sie sich jedoch mit einem Thema auseinander, sollten Sie einen klaren Standpunkt beziehen, der sich mit Ihrem Markenprofil deckt. Nur wer den Mut hat, auch mal Kante zu zeigen, wird Diskussionen anstoßen und viel Aufmerksamkeit erzeugen. Sind die Inhalte zu weichgespült, werden sie leicht beliebig und nichtssagend, wodurch sie sehr schnell in Vergessenheit geraten – gerade in der rasanten Onlinewelt.
- Für Sichtbarkeit sorgen: Was nicht gesehen wird, existiert nicht. Ihr Job ist es deshalb, dafür zu sorgen, dass jeder Interessierte Ihren Content problemlos findet. Verwenden Sie in Text und Überschriften relevante Keywörter, um über Suchmaschinen auffindbar zu sein. Verlinken Sie Ihre Inhalte und verbreiten Sie sie über sämtliche verfügbare Kanäle. Investieren Sie in den Austausch mit Bloggern und Followern – je mehr Menschen ihre Inhalte kennen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie darüber diskutieren und Ihre Links teilen und retweeten.
Der einstige Pionier Dr. Oetker bemüht sich heute übrigens längst nicht mehr nur mit Rezepten auf Backpulvertütchen um die Meinungsführerschaft in der Küche, sondern verwöhnt Backfreunde mit mehreren Blogs, Smartphone Apps und nicht zuletzt einem eigenen Verlag. Die Strategie, dauerhaft hochwertigen Content anzubieten, scheint sich für Oetker gelohnt zu haben – oder zu welcher Backmischung greifen Sie mit traumwandlerischer Sicherheit, wenn Sie vor dem Supermarktregal stehen?