PR und Kommunikation erreichen die Vorstandsebene und werden immer strategischer
Lange hat es ja gedauert. Seit ich denken kann, war das Image von PR und die damit in Verbindung stehenden Aufgaben von Champagner schlürfenden, Parties feiernden Quasselstrippen geprägt, die angeblich nichts zum Unternehmenswert beitrugen. PR gehörte irgendwie dazu.
Echten Mehrwert konnten die wirtschaftlich denkenden Unternehmensleiter oft nicht erkennen. Mussten Budgets gesenkt werden, ging es dann auch oft zuerst den PR-Verantwortlichen an den Kragen.
Das scheint sich nun aber dauerhaft und ausgerechnet in Zeiten der Wirtschafts- und Finanz-Krise zu ändern. Zu zahlreich sind die Zeichen, die auf Veränderung stehen. Zu oft stehen auch Kommunikationsunfälle im Mittelpunkt von Skandalen – oder schlagen sich auch positive Leistungen in positiven Ergebnissen nieder.
Ich gebe es ja zu: Wir haben das schon oft geglaubt. Manchmal klang das wohl eher nach Rufen im Wald als nach echten Veränderungen. Aber die Meldungen aus verschiedensten Quellen werden zahlreicher. Außerdem steht diese Entwicklung sicher auch mit einer deutlich verbesserten Ausbildung auf beiden Seiten (Management und Kommunikation/Marketing) im Einklang.
Manager bekommen den Wert von Marketing und Kommunikation bereits im Studium vermittelt – und umgekehrt muss ein PR-Verantwortlicher heute auch in der Lage sein, Bilanzen zu lesen und die Grundlagen moderner Unternehmensführung zu verstehen.
Das scheint sich auch in einer beschleunigten Veränderung der Dienstleistungswelt niederzuschlagen. So schrieb Forbes gerade erst darüber, dass Strategieberatungen immer stärker in die Welt der Marketing-Agenturen vordringen.
Was für einige angestammte Agenturen sehr wohl in Form einer Bedrohung daherkommt, birgt eigentlich enormes Potenzial. Endlich scheint die Botschaft angekommen zu sein, dass gute Kommunikation ein unverzichtbares Element guter Unternehmensführung ist. Nach innen und außen.
Die Newcomer im Marketinguniversum wie Accenture, IBM und McKinsey bieten dabei vor allem strategisches Knowhow rund um Social und Digital Communications an. Zu diesem Zweck werden auch Spezialisten gekauft – eine reizvolle Option für viele Kommunikationsdienstleister, die längst den traditionellen PR-Nischen entwachsen sind und oft nur einen geeigneten strategischen Partner brauchen.
Gerade im digitalen Bereich ergeben sich auch auf Unternehmensseite neue Aufgaben-Profile, die sich in neuen Vorstandspositionen niederschlagen.
Eine besonders interessante Position ist die des CDOs (Chief Digital Officers). Dieser steht an der Schnittstelle zwischen Marketing und Technologie und bringt dabei seine Kompetenzen für die perfekte Positionierung des Unternehmens im Social- und Digital-Bereich ein. Angeblich werden in drei Jahren bereits ein Viertel aller Unternehmen einen CDO haben. Zusammen mit der Rolle des Chief Communication Officers (CCO) und dem Chief Marketing Officer haben wir es dann bereits mit drei potenziell in der Leitung eines Unternehmens beschäftigten Personen zu tun, die alle verschiedene Aspekte der Unternehmenskommunikation betreuen. Alleine die im CMO Council vereinten 6.000 Mitglieder verantworten Budgets in der Gesamthöhe von über 300 Milliarden US-Dollars.
Es sieht also gut aus für die Zukunftsfähigkeit von professionellen Kommunikatoren. Und hoffentlich auch mit der Kommunikationsfähigkeit von Unternehmen. Immer noch geraten Unternehmen, Politiker und andere am öffentlichen Diskurs teilnehmenden Institutionen durch fehlerhafte Kommunikation zu oft in die Bredouille. Geradezu erschüttert las ich dazu vor einiger Zeit die Bilanz eines ehemaligen FTD-Journalisten nach 12 Jahren Arbeit.
Vielleicht wird es ja eine der langfristigen Lehren aus der Krise der Jahre nach 2007 sein, dass dies genau die Zeit war, in der Unternehmen den wahren Wert von Kommunikation erkannt haben.
Mehr zu Andres Wittermann finden Sie auf der Leadership-Website.