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LEWIS

von

LEWIS

Veröffentlicht am

März 18, 2019

Tags

Public Relations, Storytelling

Es ist eine der spannendsten Herausforderungen des PR-Tagesgeschäfts: Komplexe Themen so aufbereiten, dass sie die Mehrheit von Tageszeitungs-Lesern interessieren.


Dieses dreiteilige Framework hilft bei der Bewältigung

Wer das „Erzählen von PR-Geschichten“ zum Beruf hat, kann sich nur selten aussuchen, worüber er oder sie erzählt. Denn meist geben Strategien, Produktmanager oder Kunden die Themen vor – und die können schon mal äußerst sperrig sein. Wie etwa bei dem – fiktiven – Beratungsunternehmen, das sich auf das Optimieren von Beschaffungsabläufen im Einzelhandel spezialisiert: Dessen Berater hatten die Beschaffungsverträge eines Textilhändlers derart verbessert, dass dessen Ausgaben für Einkaufstüten aus Papier um 25 Prozent gesunken waren. Eine Millioneneinsparung! Jetzt soll der PR-Manager des Unternehmens daraus eine Geschichte machen, am besten für die Wirtschaftspresse. Eine PR-Story über Papiertüten also. Und zwar eine, die (und darum geht es letztlich) die Leser von Frankfurter Allgemeiner, Handelsblatt oder Wirtschaftswoche interessiert –wie soll das gehen? Anschluss an die großen Themen. Wer das Geschäft kennt, weiß: Die Journalisten großer Zeitungen berichten über das große Zeitgeschehen.

Über große Themen, große Politik und große Unternehmen, kurz: Über Geschichten, die möglichst viele ihrer meist sehr unterschiedlichen Leser ansprechen. „Kleine“ Themen können sie nicht gebrauchen. Wen interessiert schon, wie viel ein Handelskonzern für Papiertüten bezahlt? Vermutlich kaum jemanden. Und Geschichten, die „vermutlich kaum jemanden“ interessieren, verkaufen vermutlich kaum Zeitungen. Der PR-Verantwortliche aus unserem Beispiel muss sich etwas einfallen lassen. Wenn er sein Geschäft versteht, dürfte er versuchen, das „kleine“ Thema „Papiertütenbeschaffung“ in eine „anschlussfähige Geschichte“ zu verpacken, die nicht nur lesenswert ist, sondern zudem zu den großen Themen und Diskursen passt, die Leser und Journalisten wirklich interessieren. Wie er dabei vorgehen könnte.

 „Wissen, nicht Produkte“

Für jede Art PR-Geschichte gilt: Unternehmens-, Produkt- oder Projektbeschreibungen sind nicht anschlussfähig – die große Mehrheit der Zeitungsleser interessiert sich nicht für ein Unternehmen oder dessen Leistungen.Was aber anschlussfähig ist, ist das Wissen, das ein Unternehmen über sich, seine Leistungen oder die Märkte hat (es mag noch mehr „anschlussfähiges“ geben – einen berühmten Gründer oder Chef etwa – aber derlei überspringen wir hier). Entsprechend lautet der erste und wichtigste Grundsatz für das Entwickeln von PR-Geschichten: Sprechen Sie über ihr Wissen – und nicht über ihre Produkte. Entsprechend dürfte also auch unser PR-Manager zunächst fragen: Welches Wissen, welches Know-how zum Thema „Papiertüten“ haben wir? Sollten Sie jemals ein sperriges Thema bearbeiten müssen –tun Sie das Gleiche.

Erster Schritt: Einen Themenrahmen wählen. Wenn er die Antwort hat (sagen wir: die Berater des Unternehmens haben umfassende Informationen zu allen einzelnen Tüten-Märkten Europas – nicht nur für Papier, sondern auch für Jute und Plastik), kann er den nächsten Schritt vollziehen. Der besteht darin, die Presseberichterstattung auf übergeordnete, „große“ Themen-Diskurse hin zu untersuchen, zu denen „sein“ Thema und das dazugehörige Wissen passen könnten. Drei grundsätzliche Suchfelder bieten sich an: Nachrichten-Diskurse aus der Region, aus Deutschland, aus Europa oder der Welt. Inwieweit könnte das spezifische „Themenwissen“ des Unternehmens einen der laufenden Diskurse ergänzen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Transatlantischem Handelsabkommen und Papiertüten? Wären die USA künftig ein interessanter Papiertütenmarkt? Vielleicht immer noch zu speziell… Trend-Diskurse zu langfristig anhaltenden Entwicklungen, über die immer wieder berichtet wird – etwa „Megatrends“ wie die Digitalisierung, den „Female shift“ oder die viel zitierte Nachhaltigkeit. Kann unser PR-Manager etwas beitragen, das sein Thema mit diesen Trends verbindet? Etwa: Was machen Digitalisierung und Online-Handel mit dem Papiertüten-Markt? Wie umweltschonend sind Papiertüten wirklich? Diskurse über „Interessen“ beziehen all das ein, was jeden von uns persönlich beschäftigt: Familie, Freizeit Gesundheit, aber auch Themen aus dem Jahreskreis wie Sommerferien, das Oktoberfest oder Weihnachten. Passt das Papiertüten-Thema hier? Werden z.B. vor Weihnachten mehr Papiertüten gekauft als sonst? ​​

Zweiter Schritt: Eine „Ressortperspektive“  einnehmen. Im nächsten Schritt können Sie die Perspektive wählen, die Ihre Geschichte zum übergeordneten Diskurs beitragen soll. Sie wissen ja: eine neue Sichtweise kann so manches ältere Thema noch einmal beleben… Bei der Wahl können Sie einigen kreativen Aufwand betreiben – meist reicht es jedoch aus, eine „Ressortperspektive“ einzunehmen. Wenn Sie Ihrer PR-Story einen eindeutigen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, Karriere-, Kultur-, Sport-, Lifestyle- oder regionalen Bezug geben, kann ihr Ansprechpartner auf Seiten der Redaktion viel schneller und besser bewerten, ob er oder sie etwas damit anfangen kann (oder nicht). Wählen Sie dabei gezielt ein Ressort, aus dem heraus der gewählte Diskurs und Ihr eigenes PR-Thema bisher noch nicht oder nur selten behandelt wurden. Der PR-Manager aus unserem Beispiel könnte sich etwa dafür entscheiden, das Trendthema „Nachhaltigkeit“ zu bedienen und es mit einer „regionalen Perspektive“ zu verknüpfen – immerhin hat er ja Zahlen zu den Märkten in verschiedenen Regionen Europas.

Dritter Schritt: Einen Aufhänger finden. Jetzt kommt der dritte und letzte Schritt: Entwickeln Sie einen spannenden Aufhänger für Ihre Geschichte! Der kürzeste Weg zu einem solchen führt in der Regel über den Einsatz des einfachsten und meist gebrauchten Werkzeugsatzes – den zum Erzeugen von „Spannung durch Spannungen“. Im Mediengeschäft gilt nach wie vor, was schon vor langer Zeit im altehrwürdigen „Mrs. Welty‘s Guide to Literary Elements“ stand: „Every Story needs a conflict“, soll heißen: Ein guter Konflikt macht eine gute Geschichte. Für das Herstellen solcher Konflikte stehen eine ganze Reihe von Mustern zur Verfügung.

Die nachfolgende Liste mag nicht vollständig sein, enthält aber einige sehr gängige (in absteigender Reihenfolge ihrer Nützlichkeit):

Ranking: Ranglisten machen Konflikte sozusagen „ex post“ sicht- und messbar. Das macht sie spannend – und bei Journalisten recht beliebt (vorausgesetzt natürlich, das Ranking-Thema ist allgemein genug gehalten). Prüfen Sie also, ob Ihr PR-Thema ein Ranging „hergibt“. Beachten Sie dabei: das Verfahren, nachdem Sie die Rangliste erstellen, muss unbedingt nachvollziehbar und schlüssig sein!

X vs. Y: Vergleiche lesen, hören oder sehen wir alle gern (vorausgesetzt, sie haben einen Bezug zu unserem eigenen Leben) – besonders, wenn sie konflikthaft angelegt wurden. Vielleicht eignet sich Ihr PR-Thema ja für einen nach dem Muster „Alt vs. Jung“, „Männer vs. Frauen“, „Deutschland vs. Österreich“? Widerspruch: Drin ist, was draufsteht. Der offene, häufig auch namentlich bezugnehmende Widerspruch kann einige Wirkung entfalten, setzt aber viel „organisationalen Mut“ voraus. Zudem muss das eigene Unternehmen bzw. die eigene Meinungsäußerung reichlich Glaubwürdigkeit mitbringen, damit sie wirklich durchschlägt.

„Fact Check“: Die kleine Schwester des Wiederspruchs: Statt eine öffentliche Meinung unmittelbar als falsch oder unsinnig zu bezeichnen, überprüft die eigene PR-Geschichte hier lediglich behauptete Tatsachen. Vorteil: Weniger gefährlich als der Widerspruch. Nachteil: Nicht immer einfach umzusetzen – schließlich braucht der Fact Check Fakten. Und die zu beschaffen, kann durchaus aufwendig sein. „German Angst“: „Spannungen“ können auch dort entstehen, wo Sorgen herrschen.

Eine beliebte Strategie, die vor allem von Wirtschaftsverbänden Anklang findet, ist es, eigene Themen mit der „deutschen Angst“ vor Wohlstandsverfall zu verknüpfen. Vielleicht können Sie mit Ihrem PR-Thema ähnliches tun? Unter Umständen können Sie ja mit Ihrem Themenwissen beweisen, dass der „Wirtschaftsstandort Deutschland“ gefährdet ist, die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Unternehmen nachlässt oder unser aller Renten gefährdet sind? Falls ja: Tun Sie’s nicht zu häufig, und vermeiden Sie das Bedienen von Vorurteilen. Vorteil vs. Nachteil: Des einen Freud’ ist des anderen Leid – auch in der Wirtschaft: Während die Digitalunternehmen wachsen, gerät so mancher „Old Economy“-Konzern ins Wanken. Oft hat das eine mit dem anderen zu tun, Schumpeter lässt grüßen. Dieses Wechselspiel können Sie nutzen: Beobachten Sie einfach, über welche Seite (Vor- oder Nachteil) die Presse überwiegend berichtet, und bieten Sie dann gezielt eine Geschichte über die andere Seite an. „Der Online Handel wächst – die Papiertütenindustrie leidet. Allein in Deutschland sind rund 200.000 Arbeitsplätze in Gefahr“ etc. Und? Haben Sie einen Aufhänger gefunden? Dann können Sie sich ja jetzt an die Ausarbeitung Ihrer Geschichte machen… Zeit, Natur und Schicksal: Von Homer bis Heute hören Menschen gern Geschichten, in denen Helden gegen schlimmste Widrigkeiten bestehen. Solche Geschichten werden auch heute noch erzählt; im Wirtschaftsteil nehmen sie meist die Gestalt von Gründer- oder Unternehmerportraits an. Per se kein schlechter Weg, aber auch kein ganz einfacher: Diese Art Spannungserzeugung setzt in der Regel voraus, dass der „Held“ der Geschichte wirklich Spektakuläre Krisen oder Auseinandersetzungen besteht.

Schlussbemerkung: Die Vorgehensweise des PR-Managers aus unserem Beispiel mag exemplarisch, stark vereinfacht und unvollständig sein. Sie ist mit Sicherheit auch nicht die einzig mögliche. Aber sie ist durchaus sehr gut geeignet, um aus sperrigen Themen gute PR-Geschichten zu machen – und damit ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen.

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