Wie sagte einst der Fußballprophet Franz Beckenbauer: Die Schweden sind keine Holländer. Diese unverrückbare Weisheit lässt sich derzeit wunderbar auf den Bundestagswahlkampf übertragen: Die Deutschen sind einfach keine Amerikaner. Gewann Barack Obama im US-Präsidentschaftswahlkampf einen Großteil seiner Zustimmung über Facebook und Co, spielen die sozialen Medien im aktuellen Ringen um des Volkes Gunst nur eine untergeordnete Rolle. Ging etwa der Branchenverband Bitkom noch in diesem Frühjahr davon aus, dass die Bundestagswahl 2013 online entschieden wird, sieht die Bilanz wenige Tage vor dem Urnengang nüchtern aus. So titelt die Initiative wahllos.de ihre Erhebung über den Einsatz von Social Media nüchtern mit den Worten „Social Media im Wahlkampf. Das überschätzte Medium.“ Bild, BamS und Glotze Laut der von Infratest Dimap im Auftrag von wahllos.de durchgeführten Umfrage spielen im Stimmenfang die klassischen Medien – Fernsehen, Zeitungen und Radio – nach wie vor die Hauptrolle, um den Wähler und die Wählerin direkt mit politischen Inhalten anzusprechen. So gaben 70 Prozent der Teilnehmer an, dass sie von Parteien oder Politikern übers Fernsehen angesprochen werden möchten, dicht gefolgt von Zeitungen (65 Prozent) und Radio (54 Prozent). Erschreckend für die Social-Spindoktoren: Soziale Medien wie Facebook oder Twitter liegen deutlich dahinter: Nur 19 Prozent wollen digital informiert werden. Luftballon statt Like lautet hier die Devise. Man mag es kaum glauben, doch die langweiligen Wahlkampfstände auf der Straße stechen Facebook und Twitter aus. Kurzum, das Ergebnis zeigt, wie wenig Relevanz soziale Netzwerke für eine gezielte politische Ansprache haben. Fast Zweidrittel der Befragten (61 Prozent) gaben an, dass sie soziale Medien oder sogar das Internet überhaupt nicht nutzen. Für die einzelnen Politiker lohnen sich Aktivitäten auf Facebook oder Twitter kaum. Angela Merkel erreicht dort gerade einmal fünf Prozent der Wahlberechtigten. Andere Spitzenpolitiker von Peer Steinbrück (3 Prozent) über Horst Seehofer bis hin zu Jürgen Trittin (je 1 Prozent) schneiden noch schlechter ab. Obamas Wahlkampf – viel Big Data und gar kein Datenschutz Ehrlich gesagt können wir froh sein, dass wir hierzulande noch keine amerikanischen Verhältnisse haben. Wenn der einzige deutsche Wahlkämpfer im Wahlkampfteam 2012 von Barack Obama aus dem Nähkästchen spricht, bekommen Datenschützer einen zornroten Kopf wie Uli Hoeneß zu seinen besten Zeiten. Julius van der Laar gab bereits vor längerer Zeit Einblicke in die Methoden des Online-Wahlkampfes. Methoden, die in Deutschland kaum legal wären, in den USA jedoch nur ein müdes Gähnen hervorrufen. So wurden Wähler auf die Wahlkampfplattform des Präsidenten gelotst und konnten sich dort mit Facebook Connect mit ihrem Facebook Account anmelden. Das Wahlkampfteam konnte so nicht nur auf alle Facebookdaten des Users zugreifen, sondern auch in dessen Namen auf der Pinnwand nach freien Stücken Wahlkampfinhalte posten. Und über spezielle Smartphone Apps konnten die Wahlkämpfer durch Wohngebiete ziehen und legal erschnüffeln, wer welche politischen Präferenzen hat. Ein solches legales Kapern der Facebook-Accounts und das Auflösen der Privatsphäre wären in Deutschland undenkbar. Sind wir froh, dass die Deutschen keine Amerikaner sind.
Oktober 25, 2013