Rezepte als Mehrwert
1891 brachte ein Bielefelder Apotheker ein Backpulver auf den Markt. Die Innovation dabei war die Packungsgröße: Anders als seine Konkurrenten bot er praktische Kleinverpackungen an, die genau für 500 Gramm Mehl portioniert waren – ein Segen für die Hausfrau. Zum raschen Erfolg der Backpulvertütchen trug außerdem bei, dass ihre Rückseite mit schmackhaften und leicht umsetzbaren Rezepten bedruckt war. So konnte sich der clevere Apotheker bei seiner Kundschaft als Experte für Backwaren positionieren. Er schaffte es außerdem, Vertrauen in seine Marke aufzubauen: Denn, wurden die Rezepte befolgt, gelang der Kuchen so gut wie immer. Haben Sie erraten, um wen es sich bei dem Bielefelder Apotheker handelt? Richtig, Dr. Oetker! Unter anderem mit dieser genialen Service-Initiative gelang es Oetker, sich innerhalb eines Jahrhunderts von einer kleinen Apotheke zu einem der größten deutschen Familienkonzerne mit elf Milliarden Euro Umsatz zu entwickeln.
Vom Reifen zum Reiseführer
Auch der französische Reifenhersteller Michelin startete bereits 1900 mit einem besonderen Service für seine Kunden. André und Édouard Michelinentwickelten einen Werkstattwegweiser für die weniger als 3.000 Autofahrer, die es damals in Frankreich gab. Der Guide Michelin war geboren. Mit einer Auflage von 35.000 Exemplaren und zunächst ausschließlich auf Frankreichbegrenzt begann die Erfolgsgeschichte des renommierten Hotel- und Restaurantführers damals mit Tipps zum Umgang mit dem Auto und den Reifen sowie Namen von Werkstätten, Batterieladestationen und Benzindepots. Inzwischen sind der Rote Michelin und der Grüne Michelin zu international etablierten Reiseführern geworden, an denen sich Gourmets und Touristen weltweit orientieren. Mit einer Online-Version, zahlreichen Länderausgaben und der Vergabe der renommierten Michelin-Sterne schaffte es der Reifenhersteller, seine als Kundenservice gestartete Initiative als feste Größe im Tourismusgewerbe zu positionieren.
Mit Rekorden zu höherem Bierkonsum
Die Idee für ein Buch mit Rekorden entstammte eigentlich einer persönlichen Niederlage. Seit einem Fehlschuss bei der Jagd auf einen Goldregenpfeifertrachtete Sir Hugh Beaver, Geschäftsführer der irischen Guinness-Brauerei, nach Revanche. Deswegen betrieb er ausführliche Nachforschungen über den schnellsten Vogel der Welt. Hierbei kam ihm die Idee, den Bierkonsum in den Pubs zusammen mit der Wettleidenschaft der Bierkonsumenten durch ein Sammelwerk von Rekorden anzutreiben. So gab er das erste Buch 1955 im Namen der Brauerei in Auftrag. Am 27. August 1955 lag die gebundene Erstauflage vor und ging unter dem Titel The Guinness Book of Records in den Buchhandel. Über die Jahre entwickelte sich das Rekordverzeichnis zu einer eigenen eingetragenen Marke, die 2008 schließlich an die Jim Pattison Group verkauft wurde. Inzwischen nutzen andere Unternehmen Guinness World Records zur Förderung ihrer eigenen Marken über die Berichterstattung auf der Website, in Fernsehshows und Büchern sowie über Social-Media-Kanäle des Rekordverzeichnisses. So wurde aus einer Jagdniederlage eine der weltweit bekanntesten Marken mit 98 Prozent Wiedererkennungswert in der englischsprachigen Welt.
Wie diese drei Beispiele zeigen, ist Markenjournalismus keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Ob eine Initiative allerdings zum Erfolg wird, zur Markenbindung der Kunden beiträgt oder sich sogar als eigene Marke etabliert, hängt von der zündenden Idee und nicht zuletzt vom Durchhaltevermögen bei der Umsetzung ab.