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LEWIS

von

Stefan Epler

Veröffentlicht am

Juli 1, 2021

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B2B Branding

Für Fürsten und Kriegsherren des frühen Mittelalters war ein Schwert in gewissem Sinne das, was heute das Smartphone für den Manager ist – ein Werkzeug, doch gleichzeitig auch ein Statussymbol. Schwerter hatten in diesen Zeiten nicht nur eine Bedeutung, weil sie im Einsatz ihrem Zweck besser nachkamen als vergleichbare Waffen (nicht wenige Experten sind der Ansicht, dass je nach Ausrüstung des Opponenten sowie dem Kontext einer Auseinandersetzung Äxte oder Speere oft die effektiveren Waffen waren), sondern weil sie vergleichsweise bequem mitgeführt werden konnten und kostspielig waren. Sie standen also symbolisch für die Fähigkeit und Bedeutung ihres Besitzers und waren nicht an erster Stelle Mittel zum Zweck.

Kein Wunder, dass diese teilsymbolischen „Luxusaccessoires“ auch Ursprung eines der ersten Fälle von erfolgreichem Marketing sind – denn die Wohlhabenden konnten es sich schon immer leisten, an ihre Güter besondere Ansprüche zu stellen. Eine der ersten überlieferten Handelsmarken in Europa ist die Inschrift +VLFBERH+T, die heute als „Ulfberht“ transkribiert wird. Sie ist auf frühmittelalterlichen Schwertern aus dem germanischen Raum zu finden und war vom 8. bis 11. Jahrhundert in vielen Teilen der Welt verbreitet. Schwerter der Marke Ulfberht stammen Historikern zufolge größtenteils aus dem Rheinfrankengebiet, doch sie wurden nach Skandinavien, Osteuropa und sogar in den Nahen Osten exportiert. An den exotischeren Verkaufsplätzen wurde eine Ulfberht-Klinge oft noch mit Parierstangen oder Griffkörben nach den örtlichen Gepflogenheiten individualisiert.

Die Qualität eines Schwerts war zur damaligen Zeit von großer Bedeutung, weil die Metallurgie noch nicht so weit fortgeschritten war. Schmiede hatten ihre eigenen Techniken und verfügten auch über Informationen, welches Erz eine besonders gute Qualität besaß – doch dieses Wissen war sehr individuell. Sprich: ein wohlhabender Käufer konnte vor allem durch die Reputation des Schmieds darauf schließen, ob er eine hochwertige Waffe bekam oder nicht. Naheliegenderweise waren die Möglichkeiten eines Tests unter echten Bedingungen eingeschränkt – natürlich konnte man ein Schwert in einem Testkampf ausprobieren, doch konnte aus praktischen Gründen nicht die komplett gleiche Wucht und Technik eingesetzt werden wie in einem wirklichen Kampf. Kurzum: Das Schwert war ein essenzielles Werkzeug für den Nutzer, doch seine Beschaffenheit und Herkunft war für den Nutzer oft nicht in dem Maße einsehbar, wie dies wünschenswert gewesen wäre.

Ähnliches gilt heute beispielsweise für Investitionen von Unternehmen in Software oder komplexe Technologien – es gibt ausgewiesene Experten, die sich mit dem Thema beschäftigen und Interessenten bei der Beschaffung unterstützen, doch ob die neue Lösung alle Anforderungen im Detail erfüllt, erfährt man oft erst im Einsatz. Daher gibt es im IT-Umfeld das altbekannte Zitat: „No one´s got ever fired for buying IBM.“ Der IT-Leiter, der das Zusammenspiel komplexer Technologien nicht im Detail vorhersagen kann, setzt gerne auf bekannte Marken, auch um im Fall eines Problems den Vertrauensvorschuss dieser Anbieter ins Feld führen zu können.

Zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert hieß es wahrscheinlich nicht „No one´s got ever fired for buying Ulfberht“, aber die Prinzipien hinter dieser Entscheidung sind auch nach 1.200 Jahren noch immer die gleichen.

Was können wir heute noch lernen über B2B-Markenführung von dem fränkischen Schmied Ulfberht, der vermutlich der Gründer einer ganzen Dynastie von Schwertexperten geworden ist? Immerhin hat die Marke mindestens drei Jahrhunderte lang überlebt und einen guten Ruf genossen – eine Zeitspanne, die heute nur die wenigsten großen Marken für sich beanspruchen können.

Hier der (augenzwinkernde und dennoch ernst gemeinte) Ulfberht-Guide für B2B-Marken:

  1. Qualität ist essenziell: Eine starke B2B-Marke braucht ein gutes und verlässliches Produkt. Ulfberht-Schwerter waren nach der höchsten Handwerkskunst der Zeit hergestellt und wiesen sehr geringe Schwefel- und Phosphoranteile sowie einen Spitzenwert von 1,1 Prozent Kohlenstoff auf – das sind Indikatoren für eine Stahlqualität, die auch nach heutigen Maßstäben als gut gilt. Ohne diese Qualität hätte die Marke kaum so lange Zeit überdauert.

 

  1. Nutze Deine Rohstoffe zu Deinem Vorteil: Ulfberht setzte laut Untersuchungen auf hochwertigen Stahl aus Afghanistan, Persien und Indien, der über lange Wege ins Rheinfrankengebiet geschafft wurde. Gegenüber lokalen Wettbewerbern stellte dies einen erheblichen Vorteil dar, da die wenigsten auf dieses hochwertige Material zugreifen konnte. Hochwertige Rohstoffe und Vorprodukte sind auch heute noch das Erfolgsgeheimnis vieler starker Marken.

 

  1. Passe Dich dem lokalen Markt an: Trotz des hervorragenden Rufs von Ulfberht-Klingen wurden diese oft nach lokalen Vorlieben endverarbeitet. Man hätte einem persischen Fürsten kaum ein skandinavisches Schwert mit kurzer Parierstange verkaufen können. Viele erfolgreiche Marken setzen auch heute noch regionale Veränderungen ein, um so zu den Vorlieben ihrer Kunden zu passen.

 

  1. Seien Sie zeitgemäß: In drei Jahrhunderten veränderten sich Kampftechnik und Erwartungen der Zielgruppe. Ulfberht-Schwerter entwickelten sich von einem klassischen Typ X-Schwert nach der Oakeshott-Klassifikation weiter zu späteren, hochmittelalterlichen Schwertformen. Auch wenn der Fortschritt im Mittelalter langsam vonstatten ging, zeigt dies, dass eine starke Marke selbst in einem sehr konservativen Umfeld mit der Zeit gehen muss.

 

  1. Sorgen Sie für ein besonderes Nutzererlebnis: Archäometallurgen bemerkten bei der Untersuchung eines Ulfberht-Schwerts, dass es beim Anstoßen einen besonderen, summenden Klang verursachte, den man auch als „Singen“ beschreiben konnte. Dies ist vermutlich auf die besondere Elastizität des hochwertigen Stahls zurückzuführen. Die Experten gehen davon aus, dass die Schwerter diesen Klang auch von sich gaben, wenn man sie aus der Scheide zog. Benutzer und Umfeld gleichermaßen waren von diesem besonderen, singenden Schwert sicherlich gleichermaßen beeindruckt – die beste Voraussetzung für eine positive Markenerfahrung.
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