Rettung könnte aus der Craftbeer-Szene kommen – seit einiger Zeit machen, ausgehend von den USA, Klein- und Kleinstbrauereien von sich reden. Statt möglichst massentauglichen, gleichförmigen Bieren bieten sie eine große Vielfalt verschiedener Sorten, Rezepte und Bierstile an. Ein Beispiel aus Schottland zeigt, wie geschickte Kommunikation in diesem Metier zum Durchbruch verhelfen kann – ganz abseits von gängigen Bierklischees und oft auch mit etwas fraglichen Mitteln.
Geschickt gestrickter Gründungsmythos
Die Brauerei BrewDog aus Fraserburgh im Nordosten Schottlands ist eine feste Größe in der Craftbeer-Szene. 2007 gegründet war BrewDog nach nur einem Jahr die größte unabhängige Brauerei Schottlands, nach fünf Jahren das am schnellsten wachsende Unternehmen Großbritanniens im Bereich Lebensmittel und Getränke. BrewDog betreibt mittlerweile eine eigene Pub-Kette in mehreren Ländern und ist auf dem Sprung in den US-Markt. Dabei pflegt BrewDog von Anfang an ein Image als enfant terrible – der Name „Punk IPA“ für eines ihrer erfolgreichsten Biere ist Programm.
Analysiert man die Berichterstattung rund um BrewDog, dann fällt zunächst der Gründungsmythos ins Auge: angeblich haben die beiden Inhaber, zwei Schulfreunde, zunächst erfolglos versucht, sich auf Wochenmärkten zu etablieren, bis sie einen Wettbewerb der Supermarktkette Tesco gewannen.
Um die erforderliche Menge Bier zu liefern und so ins reguläre Angebot von Tesco zu gelangen, war ein kleiner Schwindel bei der Bank nötig – eine nette Lausbubengeschichte mit gutem Ausgang. Ob alles nun genau so passiert ist oder nicht, sei dahingestellt. Die Geschichte ist gut erzählt, die Helden positionieren sich als sympathische Schlitzohren. Und die Story wird immer und immer wieder veröffentlicht.
Hauptsache laut – Guerilla-Aktionen als Awarenessmotor
Neben der Geschichte von den zwei Freunden, die mit List und Wagemut eine Brauerei gründeten und gegen alle Widrigkeiten zum Erfolg führten, sind die Guerilla-Aktionen von BrewDog legendär geworden. Sie haben den Ruf der Marke geprägt und für immense Aufmerksamkeit gesorgt. Auch dabei folgt BrewDog dem Motto „Frechheit siegt“ und versucht, möglichst stark zu polarisieren. Eines ihrer Biere bewarben die Schotten beispielsweise als stärkstes Bier der Welt – angeblich ohne das groß geprüft zu haben. Als eine deutsche Brauerei dagegenhielt, brauten die Schotten kurzerhand ein noch stärkeres Bier, steckten die Flaschen in ausgestopfte Eichhörnchen und verkauften sie für horrende Preise. Die Aktion polarisierte, Tierschützer traten auf den Plan, eine emotionale Diskussion flammte auf. Ergebnis für BrewDog: Zwar viele neue Feinde, aber auch eine wachsende Fangemeinde, und insgesamt viel Aufmerksamkeit für wenig Geld. Gleiches Resultat lieferte die Rundfahrt durch London in einem Panzer, um für ein neu eröffnetes Pub zu werben. Der rote Faden bei all diesen Aktionen: Die beiden Gründer inszenieren sich und ihre Brauerei als freche Herausforderer der Branche. Und sie setzen darauf, dass ihre gezielten Aufreger für eine weitreichende Diskussion und Aufmerksamkeit sorgen. Das Ziel erreichen sie. Und verstaubt ist so ziemlich das letzte Attribut, das mit Bier von BrewDog in Verbindung gebracht werden dürfte.
Ob ich meinen Kunden dieses Vorgehen empfehlen würde? Eher nicht. Für zu groß halte ich das Risiko, sich doch einmal im Ton zu vergreifen und die Marke zu beschädigen. Trotzdem ist BrewDog ein gutes Beispiel, wie man mit einer guten Story und geschickt gesetzten Aktionen eine etwas verschnarchte Branche aufrütteln kann.
Wie schmeckt Ihnen die polarisierende Art von BrewDog? Kommt diese Art Guerilla-Marketing für Sie in Frage? Ich freue mich auf Ihre Kommentare….