Fast dachte man ja, das ewige Thema Print- vs. Online-Journalismus sei mittlerweile endgültig ad acta gelegt worden. In der Branche schien sich die Einsicht durchgesetzt zu haben, dass nur ein Miteinander der beiden „Kanäle“ zum Ziel führt. Doch die Diskussionen rund um den Hashtag #hoodiejournalismus der vergangenen Tage haben deutlich gemacht, welche internen Grabenkämpfe offensichtlich mancherorts nach wie vor ausgefochten werden. Doch was war passiert?
Es begann mit einer eigentlich ganz einleuchtenden Personalie: Stefan Plöchinger, seines Zeichens Chefredakteur von Sueddeutsche.de, sollte nun auch Mitglied der Chefredaktion der Printausgabe werden. Als Außenstehender wunderte man sich im ersten Augenblick fast ein wenig, dass das nicht schon längst der Fall ist. In Zeiten wo Begriffe wie „Medienkonvergenz“ zum Standardvokabular von Medienschaffenden gehören, eine durchaus sinnvolle Besetzung. Dachte sich auch Print-Chefredakteur Kurt Kistler. Er hatte die Rechnung aber wohl ohne einige seiner Ressortleiter gemacht. Bestimmte Kollegen der gedruckten Ausgabe hielten ihren Online-Kollegen laut Medienberichten in dieser Position offenbar für weniger geeignet. Schnell war der Begriff des „Kapuzenpulliträgers Plöchinger“ in der (Social Media) Welt. Die Twitter-Szene nahm diese Steilvorlage natürlich genüsslich auf. Unter #hoodiejournalismus verbreiteten sich zahllose Solidaritätsbekundungen anderer Journalisten, die zusammen mit ihrem bemützten Kleidungsstück auf einem Selfie posierten.
Nun könnte man das ganze natürlich für eine der gelegentlichen Personaldebatten der Branche halten. Aber in Wirklichkeit steckt dahinter eine viel wichtigere Frage: Wieso machen sich Medienhäuser unnötig selbst Konkurrenz anstatt ihre Publikationen gemeinsam fit für das digitale Zeitalter zu machen? Dass es diese Diskussion ausgerechnet bei der SZ gibt, überrascht doppelt. Während Beobachter in anderen aktuellen Fällen den Mangel an Digitalangeboten als eine Ursache für die schwierige Lage sehen, ist die Süddeutsche eigentlich nahezu vorbildlich aufgestellt. Mit einem reichhaltigen Digitalangebot (zahlreiche Apps, ePaper, unterschiedlichste Abo-Modelle mit Print-/Online-Kombination) und der Verpflichtung von Plöchinger von Spiegel Online schien man bestens gewappnet. Das Grundproblem der aktuellen Debatte ist weniger die fehlende Einsicht, dass digital mehr passieren muss, sondern vielmehr wer dafür verantwortlich zeichnen sollte.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat das in folgendem Artikel – wenn auch vermutlich unfreiwillig – hervorragend auf den Punkt gebracht (Screenshot). Denn noch immer wird allzu oft zwischen „Internetexperten“ auf der einen und „Journalisten“ auf der anderen Seite unterschieden – als würden sich diese Beschreibungen gegenseitig ausschließen. Doch dort wo der Leser bei seinem täglichen Medienkonsum kaum noch zwischen Online- und Printprodukten unterscheidet, muss diese Verschmelzung eben auch auf der anderen Seite stattfinden. Wenn ein lesenswerter Print-Artikel kurze Zeit später auf der Online-Präsenz eines Mediums nachzulesen ist, warum kann dann andersherum nicht ein guter Meinungsartikel auch den Weg ins Print-Feuilleton finden.
Was für Medien wünschenswert wäre, gilt übrigens für andere Bereiche der Branche schon längst. Ein PR-Berater oder Marketing-Verantwortlicher kann sich schon lange nicht mehr einzig darauf berufen ein „guter Schreiber“ oder Content-Experte zu sein. Auch im Internet muss er sein Handwerkszeug beherrschen ohne sich auf einzelne „Internetexperten“ unter seinen Kollegen zu verlassen. Vielmehr sind heute Generalisten gefragt, die sich in beiden Welten zu Hause fühlen und Online- und Offline-Medien als gleichwertig betrachten. Schließlich kommt es letztlich ja immer noch auf den Inhalt an – gleiches gilt übrigens auch für Kapuzenpullis.